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Ewald Stiefvater
Niemand und nichts wird vergessen
Das Kuratorium der „Gedenkstätte Ernst Thälmann“ e.V. hat im Ehrenhain auf dem Ohlsdorfer Friedhof aus Anlass des 75. Jahrestages
der Machtübertragung an die Hitler-Partei eine Veranstaltung durchgeführt. In der Einleitung betonte dort der Kuratoriumsvorsitzende
Uwe Scheer, die NSDAP sei mit Hilfe der Großindustrie aufgepäppelt worden, sie sei weder national noch sozialistisch, geschweige denn
eine „Arbeiterpartei“ gewesen. Zu der Veranstaltung, die im Rahmen der Woche des Gedenkens der Bezirksversammlung Hamburg Nord
durchgeführt wurde, hatte die Gedenkstätte Vertreter der DKP, der VVN-Bund der Antifaschisten und von anderen Organisationen der
Arbeiterbewegung eingeladen. Für die „Gedenkstätte Ernst Thälmann“ sprach Ewald Stiefvater aus Wedel:
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Genossinnen und Genossen!
„Niemand und nichts wird vergessen“, so heißt der Titel des Buches von Ursel Hochmuth, das den mutigen Lebensweg
antifaschistischer Widerstandskämpfer aufzeichnet, die uns Vorbild sind im Kampf gegen Krieg und Faschismus, für eine gerechte Welt in
Frieden und sozialer Sicherheit. Hier im Ehrenhain auf dem Ohlsdorfer Friedhof haben sie ihre letzte Ruhe gefunden.
Niemand und nichts wird vergessen! Dieser Mahnung müssen wir uns immer wieder aufs Neue stellen. Heute vor 75 Jahren machte
ein Bündnis von rechten Konservativen und Faschisten Hitler zum Reichskanzler. Als „nationale Ordnungskraft“ verkündeten die Faschisten das
Ziel, unser Land von der „jüdisch-kommunistischen Weltpest“ zu befreien. Hitler erläuterte sein Programm „zur Ausrottung des Marxismus“
und „Gewinnung von Lebensraum im Osten“ am 4. Januar 1933 in der Kölner Villa des Bankiers Freiherr von Schröder vor Konzernherren und am
3. Februar 1933 vor der Generalität der Reichswehr in Berlin. Seine terroristische Unterdrückungs- und Kriegspolitik blieb unwidersprochen.
Die 12jährige Herrschaft der Hitler-Regierung hat ein Massenvernichtungspotential in einem Ausmaß hervorgebracht, wie es zuvor in der
Menschheitsgeschichte nicht vorgekommen war. Auf das Konto der Faschisten gehen fast 60 Millionen Kriegstote. In den Konzentrationslagern
und Gaskammern des Faschismus war das organisierte Töten und Vernichten von Menschen tägliche Praxis. Antifaschisten aus allen Ländern,
Kriegsgefangene, Millionen Juden und Sinti und Romas wurden hier umgebracht.
Zur Mahnung und Erinnerung gehört an diesem Tag, dass der ermordete Namensgeber unserer Gedenkstätte, Ernst Thälmann,
als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands rechtzeitig vor der Gefahr und der Offensive des Faschismus gewarnt hat und zu
einem breiten Einheitsbündnis gegen die faschistischen Kräfte mobilisierte. 1932 rief er aus: „Wer Hindenburg wählt – wählt Hitler.
Wer Hitler wählt – wählt den Krieg.“ Noch am Abend des 30. Januar 1933 hat die KPD den dringenden Appell an Sozialdemokraten und
Gewerkschaften gerichtet, gemeinsam den Generalstreik auszurufen. Er blieb unbeantwortet.
Ernst Thälmann und seine Kampfgefährten haben mit dem Finger auf die Hauptschuldigen gezeigt, auf jene Finanz- und
Industriekapitalisten, auf die feudale Herrenschicht, die die Hitler Partei entdeckt und finanziert haben. Alle bürgerlichen Abgeordneten,
darunter der erste Bundespräsident der BRD, Theodor Heuß, stimmten im März 1933 für Hitlers Ermächtigungsgesetz. Bürgerliche demokratische
Freiheitsrechte der Weimarer Verfassung wurden außer Kraft gesetzt. Brutale Verfolgung von Antifaschisten aller politischen Richtungen war
das Ergebnis. Die Zahl ermordeter Arbeiterfunktionäre aus den Reihen der Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter war besonders hoch.
Allein in Hamburg wurden 1800 Antifaschisten von der Gestapo, SS und der Henkerjustiz des Faschismus umgebracht, darunter waren über 600
Kommunisten. Ernst Thälmann gab ein Beispiel für Mut und Tapferkeit für Millionen Andere im Land. Er wurde auf direkten Befehl von Hitler
und Himmler nach über 11 Jahren Einzelhaft im August 1944 im KZ Buchenwald feige ermordet.
Niemand und nichts wird vergessen!
Diese Mahnung verpflichtet uns, das Vermächtnis der gemordeten, gequälten und gestorbenen Antifaschisten wie unseren
eigenen Augapfel zu hüten, für immer hochzuhalten und zu schützen. Wir stellen uns dieser Aufgabe in der „Gedenkstätte Ernst Thälmann“
mit unserer Ausstellung, mit unserem Archiv, der Bibliothek, mit Filmvorführungen und Vorträgen. Wir vermitteln die Einsicht, dass die
Machtübertragung an die Faschisten hätte verhindert werden können. Das Beispiel der Niederlage des Kapp-Putsches im Jahre 1920, wo die
Arbeitermassen mit einem Generalstreik die konservativen und reaktionären Kräfte niederrangen und in die Knie zwangen, ist ein augenfälliger
Beleg für die Kraft und Durchsetzungsfähigkeit der breiten Volksmassen. Das einheitliche Handeln von Kommunisten, Sozialdemokraten und
Gewerkschaftern wäre auch 1933 Signal und Zündung für eine unüberwindliche Volksbewegung gegen den Faschismus und die Chance für den Sieg
über die Reaktion geworden. Diese Chance wurde leider aus antikommunistischer Blindheit nicht genutzt. Auch diese Erkenntnis gehört
zum Vermächtnis der Antifaschisten, die sich in den Konzentrationslagern geschworen hatten: Nie wieder Bruderkrieg!
Den Gedanken zur Gemeinsamkeit wollen wir als eine nie zu vergessende Lehre hier im Ehrenhain vor unseren gefallenen
Kameraden zum Ausdruck bringen. Wir gedenken und ehren die auf einer Stele namentlich genannten fast 200 Hamburger Antifaschisten aus
den Reihen der Sozialdemokratischen Partei. Wir gedenken und ehren der namentlich nicht genannten über 600 Hamburger Kommunisten, die
als Kämpfer gegen Faschismus und Krieg ermordet und gestorben sind und wir gedenken und ehren jene nicht genannten Frauen und Männer
aus anderen politischen Richtungen und Schichten der Bevölkerung. Könnten sie ihre Augen öffnen, würden sie uns jetzt zurufen: Bleibt
und kämpft gemeinsam gegen Neofaschismus, Rassismus, Antisemitismus und Krieg. Im diesem antifaschistischen Sinne appelliere ich an die
Verantwortlichen, in nächster Zukunft notwendige fällige Ergänzungen anzuordnen und ausnahmslos alle gestorbenen Hamburger Antifaschisten
namentlich aufzuführen, unabhängig von ihren politischen, religiösen und weltanschaulichen Positionen. Die Gedenkstätte Ernst Thälmann ist
bereit, dafür entsprechende Hilfe zu leisten.
Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Antikommunismus von Neofaschisten sowie rechten konservativen Politikern dürfen
nicht ein zweites Mal widerspruchslos hingenommen werden. Verharmlosung und Duldung ist zu bekämpfen. Gegen wachsende Gefahren von rechts sind
gesellschaftliche Allianzen ein Gebot der Stunde. Den Geschichtsfälschern gilt es entgegen zu en. Kämpfen wir gemeinsam für soziale Sicherheit,
gegen Demokratieabbau und für den Frieden.
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